Grenzpendelnde Studierende und die deutsch-dänische Zusammenarbeit – Landtagsrede vom 16.12.2022
Barrieren müssen weiter abgebaut werden. Der Krieg in der Ukraine, die steigende Inflation und nicht zuletzt der Klimawandel – das sind überaus ernste Herausforderungen, denen wir uns in Europa und darüber hinaus, stellen müssen. Wer dies im Alleingang versucht, wird scheitern. Geteilten Werten und gemeinsamen Zielen kommt in diesen besonderen Zeiten eine unschätzbare Bedeutung zu. Das hat uns der russische Angriffskrieg schmerzlich vor Augen geführt.
In einer geopolitischen Situation, in der Krieg wieder zu einem Mittel geworden ist, um nationalstaatliche Interessen durchzusetzen, ist Vertrauen wieder zu einem diplomatischen Gut geworden. Und das gilt insbesondere unter Nachbarn. Kein Land in Europa hat so viele Nachbarn wie Deutschland. Und einer davon, der unmittelbare Nachbar Schleswig-Holsteins, ist Dänemark.
Geht man durch die Straßen Flensburgs, dann kann man an manchen Tagen mehr Menschen dänisch als deutsch sprechen hören; steht man am Ostufer des Hafens, sieht man den „Dannebrog“ gut sichtbar über den Dächern der Altstadt wehen. Mit Dänemark verbinden uns nicht nur gemeinsame politische Ziele, sondern auch eine sehr lebendige Grenzregion: Studierende, die in Flensburg und Sonderburg grenzübergreifend studieren, Pendler*innen, die auf einer Seite leben und auf der anderen arbeiten. Dänische Schulen und Kindergärten auf deutscher Seite und deutsche Schulen und Kindergärten auf dänischer Seite. Schleswig-Holstein und Dänemark sind durch historische Bande und durch unzählige Kontakte im Alltag unserer Bürger*innen eng verbunden. Die vielen Geschichten dieser Verbundenheit hat das Interreg-Projekt „Blumen bauen Brücken“ auf beiden Seiten der Grenze auf schöne Weise erzählt.
Vor diesem Hintergrund ist der vom Auswärtigen Amt vereinbarte „Gemeinsame Aktionsplan für die künftige deutsch-dänische Zusammenarbeit“ ein wichtiger Schritt, um die Verbindung beider Länder weiter zu stärken. Bei der Bildung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe können und sollten wir von den Erfahrungen des Nordischen Rates lernen, denn dieser verbindet seit 70 Jahren die Interessen der nordischen Länder erfolgreich.
Es fehlt ein Gremium, das sich konstruktiv mit der Zusammenarbeit beider Länder beschäftigt und über die notwendigen Befugnisse verfügt, diese zu vertiefen. Dies zeigt sich an den vielen sichtbaren und unsichtbaren Barrieren, die nach wie vor existieren. Diese Barrieren müssen weiter abgebaut werden, um so der in der Grenzregion längst tief empfundenen und gelebten Verbindung beider Länder auch institutionell gerecht zu werden. Das gilt gerade für bürokratische Barrieren, die das Leben von Grenzpendler*innen und auch von Unternehmen in der Region erschweren. Aber auch für Barrieren im Bildungsbereich, etwa die Anerkennung der Ausbildung des jeweils anderen Landes. Und ganz sicher auch für die deutlich sichtbaren Barrieren an der dänischen Grenze, nämlich die anhaltenden Grenzkontrollen, die den alltäglichen Waren- und Personenverkehr erheblich behindern.
Eine dieser vielen Barrieren wollen wir überwinden. So sollen auch grenzpendelnde Studierende und Fachschüler*innen, die einen inländischen Wohnsitz besitzen, aber an einer Hoch- oder Berufsschule im EU-Ausland eingeschrieben sind, von der Energiekostenpauschale profitieren. Dass das auf Bundesebene nicht gelungen ist, bedauern wir.
Während der Corona-Pandemie haben wir gesehen, dass Katastrophen nicht vor Grenzen halt machen. Um voneinander profitieren zu können, um voneinander zu lernen, aber auch um gemeinsam auf Bedrohungen effektiv reagieren zu können, müssen Regionen miteinander kooperieren. Aus diesem Grund halte auch ich es für geboten, gezielt an dem vom SSW empfohlenen grenzüberschreitenden Krisenmanagement zwischen beiden Ländern zu arbeiten. Das gilt gerade auch für die Kooperation zwischen Sicherheits- und Ordnungskräften beider Länder.
Dänemark und Schleswig-Holstein sind Gleichgesinnte. Wir sind Nachbar*innen und Freunde und wir teilen den Ehrgeiz, den grünen Wandel unserer Energieversorgung tatsächlich zu schaffen und wollen diesen auch gemeinsam bewältigen. Dass der Wille zur Zusammenarbeit auf beiden Seiten gegeben ist, daran besteht kein Zweifel – nun ist es an der Zeit, dass Taten folgen und ein geeigneter institutioneller Rahmen geschaffen wird.